Eine Geschichte aus Bernhard Moestl’s breakfastroom

Bernhard Moestl ist grad in Vietnam unterwegs und hat heute eine Geschichte geschrieben, die mir sehr gefällt.

Aber lest vielleicht selbst ….

Sylvia

Eine Maus schaute neugierig durch einen Spalt in der Wand und beobachtete den Bauern und seine Frau, die gerade ein Päckchen aufmachten. “Was da wohl Gutes drin ist?” fragte sich die Maus – um dann entsetzt festzustellen, dass die Beiden eine Mausefalle auspackten.
Sofort lief sie hinaus, um die anderen Tiere zu warnen: “Eine Mausefalle ist im Haus! Eine Mausefalle ist im Haus!” Die Henne gackerte und kratzte auf dem Boden, dann hob sie den Kopf und sagte: “Liebe Maus, ich sehe schon, dass das ein Problem für dich ist, aber für mich hat es keine Bedeutung. Mich betrifft es nicht.”
Die Maus wandte sich an das Schwein und erzählte ihm: “Eine Mausefalle ist im Haus! Eine Mausefalle ist im Haus!” Das Schwein grunzte mitfühlend und sagte: “Das tut mir aber leid, liebe Maus – aber da kann ich leider nichts unternehmen, außer für dich zu beten. Ich werde dich in mein Abendgebet einschließen.”
Die Maus lief zur Kuh und sagte zu ihr: “Eine Mausefalle ist im Haus! Eine Mausefalle ist im Haus!” Die Kuh meinte: “Muh, liebe Maus, du tust mir ja wirklich leid, aber so richtig kratzt mich das eigentlich nicht.”
So lief die Maus niedergeschlagen und enttäuscht wieder ins Haus zurück, um sich der schrecklichen Gefahr allein zu stellen.
In der Nacht hörte man ein lautes metallisches Schnappen – das Geräusch einer ausgelösten Mausefalle. Die Frau des Bauern sprang aus dem Bett, um nachzusehen, was los war. In der Finsternis bemerkte sie nicht, dass der Schwanz einer wütenden Giftschlange in der Falle eingeklemmt war.
Die Schlange biss zu, und der Bauer musste mitten in der Nacht seine Frau in die weit entfernte Klinik bringen. Dort wurde ihr Schlangenserum gespritzt; es war aber schon viel Zeit vergangen, und sie kam mit hohem Fieber nach Hause zurück. Nun ist bekanntlich frische Hühnersuppe gut für Fieberkranke, und der Bauer drehte der Henne den Hals um, um Suppe zu kochen.
Die Bäuerin erholte sich aber nicht, und so kamen Nachbarinnen und Freundinnen, um sie rund um die Uhr zu betreuen, wenn der Bauer arbeitete oder schlief. Um ihnen etwas zu Essen zu geben, schlachtete der Bauer das Schwein.
Die Krankheit der Bäuerin verschlimmerte sich, und endlich starb sie. Um die Begräbniskosten aufzubringen, musste der Bauer die Kuh an den Metzger verkaufen.
Die Maus beobachtete alles durch ihren Spalt in der Wand und war sehr traurig.
Wenn also das nächste Mal jemand ein Problem hat, von dem du glaubst es ginge dich nichts an, dann denk’ daran – wenn Einer in Gefahr ist, dann sind Alle in Gefahr. Wir alle sind auf dieser Reise, die man ‘Leben’ nennt; wir sollten ein Auge auf die Anderen haben und uns anstrengen, einander zu helfen. Jeder ist ein wichtiger Faden in irgendjemand Anderes’ Tapisserie; unsere Lebensfäden sind nicht umsonst verknüpft.

Dieser Beitrag wurde unter Bernhard Moestl abgelegt und mit den Tags , versehen. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>